Im Rahmen des Roma-Tag-Festivals in Stuttgart, das der VDSR-BW gemeinsam mit dem Theater am Olgaeck veranstaltet hat, fand am 22. April 2022 eine instruktive Diskussion zur aktuellen Situation der aus der Ukraine geflüchteten Roma statt. Mit Mehmet Daimagüler, dem Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus, erörterten der zugeschaltete Europaabgeordnete Romeo Franz, vor Ort im Theater die Streetworkerin und Sozialarbeiterin Renate Melis von der Diakonie Württemberg, Andrea Laux und Cristina Stark von der Bürgerstiftung Stuttgart und den Mütterzentren sowie Jovica Arvanitelli vom VDSR-BW, der auch die Positionen des verhinderten ukrainischen Roma-Aktivisten Robert Kaldaras vertrat, die Herausforderungen und Lösungsansätze.
Der in aktuellen Debatten rasant und auch in der gesellschaftlichen Mitte um sich greifende Antiziganismus, der schutzsuchende Menschen aus der Ukraine in zwei Klassen aufteilt, wurde thematisiert und kritisiert. Gleichberechtigung und die Achtung der Menschenwürde sind nicht selbstverständlich, auch nicht in der deutschen “Willkommenskultur” 2022/23. Niedrigschwellige Angebote und sprachliche Vermittlung, Zugang zu den allen Flüchtlingen zustehenden Leistungen, Schulung und Aufklärung der haupt- oder ehrenamtlich in Füchtlingshilfe und Behörden Aktiven sind entscheidend – ebenso wie dauerhafte Aufenthaltsperspektiven. Der Ansatz des vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg geförderten Projekts ReFIT wurde dabei hervorgehoben.
Am 23. April 2023 diskutierte Mehmet Daimagüler im Erinnerungsort “Hotel Silber” in Stuttgart mit dem Autor Sebastian Lotto-Kusche dessen Buch über den “langen Weg zur Anerkennung” des Völkermords an den Sinti und Roma in der Bundesrepublik. Sarah Stewart vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg begrüßte, beide Veranstaltungen moderierte Tim Müller vom VDSR-BW. In der Diskussion nach der einleitenden Präsentation des Buchs standen die dauerhaften Folgen der verweigerten Anerkennung, die sekundären Traumatisierungen, die ausgebliebene Entschädigung und die “zweite Verfolgung” im Mittelpunkt. Mehmet Daimagüler warf einen kritischen Blick auf die bundesrepublikanische Erinnerungskultur und forderte die Aufklärung der NS-Kontinuitäten nach 1945 in allen Behörden, auch im Bundesfamilienministerium, an dem seine Stelle angesiedelt ist, und die Einrichtung von Wahrheits- und Versöhnungskommissionen.