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Gerichtsurteil wegen Vertreibung in 45 Fällen
Gerichtsurteil wegen Vertreibung in 45 Fällen

Im Ulmer Pro­zess um einen anti­zi­ga­nis­ti­schen Anschlag im Mai 2019 wur­de heu­te nach 16 Ver­hand­lungs­ta­gen das Urteil über die fünf Ange­klag­ten ver­kün­det. Alle fünf wur­den wegen Ver­trei­bung bzw. gemein­schaft­li­cher Nöti­gung in 45 Fäl­len nach Jugend­straf­recht ver­ur­teilt. Alle Stra­fen wur­den auf Bewäh­rung aus­ge­setzt. Die Kam­mer beton­te, dass die Moti­va­ti­on der Tat Frem­den­feind­lich­keit, Ras­sis­mus und Anti­zi­ga­nis­mus gewe­sen sei. Auch zum jet­zi­gen Zeit­punkt wie­sen die Ange­klag­ten die­se Nei­gun­gen auf. Für eine Ver­ur­tei­lung wegen ver­such­ten Mor­des und ver­such­ter Brand­stif­tung hät­ten objek­ti­ve Indi­zi­en gefehlt. Alle Ange­klag­ten wur­den ver­pflich­tet, die KZ Gedenk­stät­te Dach­au zu besu­chen und danach einen zehn­sei­ti­gen, hand­schrift­li­chen Bericht anzu­fer­ti­gen über ihre Erfah­run­gen, Gefüh­le und Ein­drü­cke. Zwei der Ange­klag­ten wur­den dazu ver­ur­teilt, Geld­stra­fen in Höhe von 1.200 Euro an die Hil­de­gard Lag­ren­ne Stif­tung zu zah­len. Die Stif­tung wur­de 2012 von Ange­hö­ri­gen der natio­na­len Min­der­heit der Sin­ti und Roma gegrün­det und setzt sich für Bil­dung, Inklu­si­on und Teil­ha­be von Sin­ti und Roma in Deutsch­land ein. 

„Die Neben­kla­ge kann mit dem Urteil leben, weil das Gericht die anti­zi­ga­nis­ti­sche Hass­mo­ti­va­ti­on klar benannt hat.“

Dr. Meh­met Dai­ma­gü­ler, Ver­tre­ter der Nebenklage

„Das ist die ers­te Ver­ur­tei­lung wegen gemein­schaft­li­cher Ver­trei­bung aus ras­sis­ti­schen Moti­ven auf deut­schem Boden nach 1945.“ 

Dani­el Strauß, Vor­stands­vor­sit­zen­der des VDSR-BW

Der Lan­des­ver­band war an allen Ver­hand­lungs­ta­gen als Beob­ach­ter anwe­send und hat sich seit Beginn der Ver­hand­lung auch mit poli­ti­schen und reli­giö­sen Ver­tre­tern von Erbach-Dell­men­sin­gen und Erbach aus­ein­an­der­ge­setzt, wo die Tat statt­ge­fun­den hat­te. Ein Tref­fen für einen Run­den Tisch zusam­men mit dem Anti­se­mi­tis­mus­be­auf­trag­ten des Lan­des Baden-Würt­tem­berg Dr. Micha­el Blu­me steht noch aus. Gleich­zei­tig zum Pro­zess setz­te sich der Lan­des­ver­band auch für die Eröff­nung einer Bera­tungs­stel­le für Sin­ti und Roma in Ulm ein. Die­se wur­de am 22.09.2020 zusam­men mit Ober­bür­ger­meis­ter Gun­ter Czisch und Minis­te­ri­al­di­ri­gen­tin Prof. Dr. Bir­git Locher-Fin­ke, Minis­te­ri­um für Sozia­les und Inte­gra­ti­on Baden-Würt­tem­berg, eröff­net. Auch möch­te der VDSR-BW wei­ter in der Regi­on aktiv blei­ben und sich für poli­ti­sche Bil­dungs­ar­beit expli­zit in länd­li­chen Regio­nen einsetzen.

„Die­ser Fall zeigt, dass Anti­zi­ga­nis­mus in der Gesell­schaft weit ver­brei­tet ist und als Nor­ma­li­tät wahr­ge­nom­men wird. Genau das ist das gefährliche.“

Romeo Franz MdEP

Ansprech­part­ne­rin für Pres­se- und Öffent­lich­keits­ar­beit: Cha­na Dische­reit – cd@sinti-roma.com

In der Leip­zi­ger Auto­ri­ta­ris­mus-Stu­die 2020 wird der Fall in Erbach-Dell­men­sin­gen wis­sen­schaft­lich ana­ly­siert und ein Bild auf den Anti­zi­ga­nis­mus gewor­fen, der tief in der Mit­te der Gesell­schaft ver­wur­zelt ist. Die Stu­die wird vor­aus­sicht­lich am 18. Novem­ber 2020 veröffentlicht.

Beitrag erstellt am 23.09.2020

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