Am Standort Herrenberg der Hochschule für Polizei leiteten Daniel Strauß, Landesvorsitzender des VDSR-BW, und Landeskriminaldirektor Klaus Ziwey, der derzeit auch die Aufgaben des Inspekteurs der Polizei Baden-Württemberg wahrnimmt, am 6. April 2022 in einer Auftaktveranstaltung die systematische Beteiligung des Landesverbands in der Polizeiaus- und ‑fortbildung in Baden-Württemberg ein.
Diese Zusammenarbeit stellt angesichts der zentralen Rolle der Polizei und insbesondere der Kriminalpolizei bei der Verfolgung der Sinti und Roma seit dem späten 19. Jahrhundert sowie der Vorbereitung und Vollstreckung des Völkermords im Nationalsozialismus einen historischen Meilenstein dar. Daniel Strauß betonte dabei, dass sich damit auch ein historischer Kreis schließt – bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein gehörte der Polizeiberuf zu den Nischen, die Sinti in der deutschen Gesellschaft in vielen Regionen offenstanden und manchen auch den sozialen Aufstieg ermöglichten.
Angehende und junge Polizistinnen und Polizisten werden sich von nun an mit Themen wie Antiziganismus oder Geschichte und Gegenwart der Sinti und Roma auseinandersetzen. Neben wissenschaftlichen Grundlagen stehen Beispiele aus der Praxis sowie Begegnungen mit Angehörigen der Minderheit im Mittelpunkt. Auch an der Fortbildung bereits aktiver Polizistinnen und Polizisten wird der VDSR-BW an den unterschiedlichen Standorten in Baden-Württemberg mitwirken. Bereits im Dezember 2021 fand eine erste gemeinsame Lehrveranstaltung an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen statt.
Alle angehenden Polizistinnen und Polizisten werden in einem Begegnungsprogramm, das im Rahmen der Auftaktveranstaltung am Standort Herrenberg zum ersten Mal stattfand, jüngere Sinti und Roma kennenlernen. Romeo Manolito Franz und Renate Melis berichteten dabei aus ihrem Leben und stellten sich den Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Reihen der Polizei. Das Begegnungsprogramm stieß auf großes Interesse. Begeisterte Reaktionen im Anschluss zeigten, wie wirkungsvoll dieser Baustein in der Polizeiausbildung ist.
Romeo Manolito Franz und Renate Melis erhielten am Ende auch aus den Händen von Polizeioberrätin Christiane Maisch, der Leiterin des Standorts Herrenberg der Hochschule für Polizei, ein Zertifikat der Landespolizei für ihre Mitwirkung an der Polizeiausbildung. Die beiden haben zuvor erfolgreich eine Weiterbildungsmaßnahme des VDSR-BW absolviert, die Aufklärungsreferentinnen und ‑referenten gegen Antiziganismus auf diese und ähnliche Aufgaben vorbereitet.
Die Mitwirkung des Landesverbands an der Polizeiausbildung geht auf ein Gespräch des Landesvorsitzenden Daniel Strauß mit Innenminister Thomas Strobl im Februar 2021 zurück, in dem nach einem polizeilichen Übergriff auf einen jungen Sinto die Notwendigkeit festgestellt wurde, ein dauerhaftes Vertrauensverhältnis zwischen der Polizei und der deutschen nationalen Minderheit der Sinti und Roma sowie zugewanderten Roma zu etablieren. Die Landespolizei will besonders Werte und demokratische Resilienz in ihrer Aus- und Fortbildung betonen. Dazu gehört Aufklärung über Antiziganismus und Diskriminierung.
Eine Arbeitsgruppe, der von Seiten der Landespolizei u.a. Prof. Dr. Waltraud Müller-Franke und Michael Leidenheimer angehören, von Seiten des Landesverbands der Erste Kriminalhauptkommissar a. D. Günther Weiss, Dr. Tim Müller, Jessica Kemfelja und Christine Bast, hat die Beteiligung an der Polizeiaus- und ‑fortbildung vorbereitet und baut diese weiterhin aus. Landeskriminaldirektor Ziwey wünschte sich zum Abschluss der Auftaktveranstaltung ausdrücklich eine noch weitergehende Zusammenarbeit. Regelmäßige Besuche des Lern- und Begegnungsorts RomnoKher in Mannheim gehören künftig ebenfalls zur Polizeiaus- und ‑fortbildung.
Beginnend mit Herrenberg wird an allen Standorten der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg in diesem Jahr auch die vom VDSR-BW erstellte Wanderausstellung „Typisch ‚Zigeuner‘? – Mythos und Wirklichkeit“ zu sehen sein.