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Ver­trag des Lan­des Baden-Würt­tem­berg mit dem
Ver­band Deut­scher Sin­ti und Roma,
Lan­des­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V.

 

Prä­am­bel

Sin­ti und Roma gehö­ren seit mehr als 600 Jah­ren zur Kul­tur und Gesell­schaft des heu­ti­gen Lan­des Baden-Würt­tem­berg. Sie sind eine aner­kann­te natio­na­le Min­der­heit der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Ihre Spra­che und Kul­tur sind durch deut­sches und euro­päi­sches Recht geschützt. Die Aus­gren­zung und Benach­tei­li­gung von Sin­ti und Roma rei­chen zurück bis in das Mit­tel­al­ter. Die grau­sa­me Ver­fol­gung und der Völ­ker­mord durch das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Regime brach­ten uner­mess­li­ches Leid über Sin­ti und Roma in unse­rem Land und zei­ti­gen Fol­gen bis heu­te. Die­ses Unrecht ist erst beschä­mend spät poli­tisch aner­kannt und noch nicht aus­rei­chend auf­ge­ar­bei­tet wor­den. Auch der Anti­zi­ga­nis­mus ist noch immer exis­tent und nicht überwunden.

Im Bewusst­sein die­ser beson­de­ren geschicht­li­chen Ver­ant­wor­tung gegen­über den Sin­ti und Roma als Bür­ge­rin­nen und Bür­ger unse­res Lan­des und gelei­tet von dem Wunsch und Wil­len, das freund­schaft­li­che Zusam­men­le­ben zu för­dern, schließen

das Land Baden-Würt­tem­berg, ver­tre­ten durch den Ministerpräsidenten

(im Fol­gen­den: das Land)

und

der Ver­band Deut­scher Sin­ti und Roma, Lan­des­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V., ver­tre­ten durch sei­nen Vorstandsvorsitzenden

(im Fol­gen­den: der VDSR-BW)

ange­sichts des gemein­sa­men Zie­les, jeg­li­chen Dis­kri­mi­nie­run­gen von Ange­hö­ri­gen der Min­der­heit ent­ge­gen­zu­wir­ken und den gesell­schaft­li­chen Anti­zi­ga­nis­mus wirk­sam zu bekämpfen;

in dem Wil­len, gemein­sam das gesell­schaft­li­che Mit­ein­an­der unter Ach­tung der eth­ni­schen, kul­tu­rel­len, sprach­li­chen und reli­giö­sen Iden­ti­tät der Sin­ti und Roma kon­ti­nu­ier­lich zu verbessern;

in Aner­ken­nung der Ver­pflich­tun­gen aus dem Rah­men­über­ein­kom­men des Euro­pa­ra­tes zum Schutz natio­na­ler Min­der­hei­ten und der Euro­päi­schen Char­ta der Regio­nal- oder Minderheitensprachen;

auf­bau­end auf den ers­ten Ver­trag, der zwi­schen dem Land und dem VDSR-BW für die Dau­er von fünf Jah­ren geschlos­sen wur­de und am 1.Januar 2014 in Kraft getre­ten ist, und den dar­in fest­ge­hal­te­nen Grund­la­gen und Zie­len der Zusammenarbeit;

fol­gen­den Vertrag.

In Wür­di­gung der sprach­li­chen und kul­tu­rel­len Iden­ti­tät der Min­der­heit wird der Ver­trag durch den VDSR-BW in Roma­nes übersetzt.

 

 

Arti­kel 1

Rech­te, gemein­sa­me Auf­ga­ben und Ziele


(1) Die deut­schen Sin­ti und Roma haben ein Recht auf Aner­ken­nung, Bewah­rung und För­de­rung ihrer Kul­tur und Spra­che sowie des Gedenkens.

(2) Daher stre­ben das Land und der VDSR-BW in Aner­ken­nung und Fort­füh­rung der benann­ten und umge­setz­ten Zie­le des Ver­trags vom 1. Janu­ar 2014 gemein­sam ins­be­son­de­re an:

  • Die Umset­zung der in den Bil­dungs­plä­nen ver­an­ker­ten The­ma­tik Sin­ti und Roma im Unter­richt der Schu­len und in der Aus- und Fort­bil­dung der Lehr­kräf­te. In die­sem Zusam­men­hang trägt die Lan­des­re­gie­rung Sor­ge dafür, dass in den Schu­len des Lan­des die The­ma­tik so gelehrt wird, dass auch mög­li­chen Vor­ur­tei­len ent­ge­gen­ge­tre­ten wird.
  • Die Fort­set­zung und Ver­tie­fung der Zusam­men­ar­beit zwi­schen dem VDSR-BW mit den Bil­dungs­ein­rich­tun­gen des Lan­des zur Auf­klä­rung über min­der­hei­ten­feind­li­che Vor­ur­tei­le und zur För­de­rung des Geschichts­be­wusst­seins und der gesell­schaft­li­chen Toleranz.
  • Die Wei­ter­füh­rung der Antiziganismus-Forschung.
  • Die Fort­füh­rung und Ver­tie­fung der bewähr­ten Zusam­men­ar­beit mit der Lan­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung und der Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaft der Gedenk­stät­ten in Baden-Württemberg.
  • Die För­de­rung von gleich­be­rech­tig­ten Bil­dungs­chan­cen jun­ger Sin­ti und Roma.
  • Die För­de­rung der Bera­tungs­stel­len für gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be in Bil­dung, Inte­gra­ti­on und Soziales.
  • Die Siche­rung der Grab­stät­ten der unter der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gewalt­herr­schaft ver­folg­ten Sin­ti und Roma.
  • Den Aus­bau von Bil­dungs- und Kul­tur­ange­bo­ten für Sin­ti und Roma durch den VDSR-BW zur Ver­mitt­lung ihrer Spra­che und Kultur.
  • Den Aus­bau der Erfor­schung und Doku­men­ta­ti­on der Geschich­te und Kul­tur der Min­der­heit durch die Min­der­heit selbst.
  • Die insti­tu­tio­nel­le För­de­rung des VDSR-BW.
  • Die Ermög­li­chung einer ange­mes­se­nen Wahr­neh­mung und Ver­tre­tung von deut­schen Sin­ti und Roma in Kul­tur, Wis­sen­schaft, Poli­tik und Medien.
  • Die gemein­sa­me Iden­ti­fi­zie­rung wei­te­rer Zukunftsaufgaben.

(3) Der VDSR-BW ver­pflich­tet sich:

  • Poli­tik, Ver­wal­tung und Behör­den bei Maß­nah­men der Auf­klä­rung und Sen­si­bi­li­sie­rung für Geschich­te und Gegen­wart der Sin­ti und Roma zu unterstützen.
  • Im Rah­men sei­ner Mög­lich­kei­ten blei­be­be­rech­tig­te, nicht­deut­sche Sin­ti und Roma bei ihrer Inte­gra­ti­on in die Gesell­schaft und die natio­na­le Min­der­heit zu unterstützen.
  • Im Rat für die Ange­le­gen­hei­ten der deut­schen Sin­ti und Roma in Baden-Würt­tem­berg und bei der regel­mä­ßi­gen Unter­rich­tung des Land­tags mitzuwirken.


Arti­kel 2

Finan­zi­el­le För­de­rung Rat für die Ange­le­gen­hei­ten der deut­schen Sin­ti und Roma in Baden-Württemberg


(1) Das Land und der VDSR-BW arbei­ten in einem gemein­sa­men „Rat für die Ange­le­gen­hei­ten der deut­schen Sin­ti und Roma in Baden-Würt­tem­berg“ zusammen.

(2) Die­ser hat die Aufgaben:

  • Alle die deut­schen Sin­ti und Roma im Land betref­fen­den Ange­le­gen­hei­ten zu erörtern.
  • Pro­jekt- und För­der­maß­nah­men nach Arti­kel 1 die­ses Ver­tra­ges zu bera­ten und ent­spre­chen­de Emp­feh­lun­gen an Lan­des­re­gie­rung sowie Land­tag zu richten.
  • Den Land­tag regel­mä­ßig über Arbeit und Beschlüs­se des Rates zu unterrichten.

(3) Der Rat besteht aus:

  • Sechs Ver­tre­te­rin­nen oder Ver­tre­tern des Lan­des, von denen drei der Lan­des­re­gie­rung, zwei dem Land­tag und eine® den kom­mu­na­len Lan­des­ver­bän­den ange­hö­ren. Die drei Ver­tre­te­rin­nen oder Ver­tre­ter der Lan­des­re­gie­rung umfas­sen den Koor­di­na­tor oder die Koor­di­na­to­rin des Rates mit Sitz im Staats­mi­nis­te­ri­um sowie zwei Ver­tre­te­rin­nen oder Ver­tre­ter aus fach­lich berühr­ten Res­sorts. Für die Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter der Res­sorts, des Land­tags und der kom­mu­na­len Lan­des­ver­bän­de kön­nen stell­ver­tre­ten­de Mit­glie­der benannt werden.
  • Sechs Ver­tre­te­rin­nen oder Ver­tre­tern der deut­schen Sin­ti und Roma in Baden-Würt­tem­berg. Für jede(n) Vertreter(in) der deut­schen Sin­ti und Roma kann ein stell­ver­tre­ten­des Mit­glied benannt werden.

(4) Die Lan­des­re­gie­rung bestellt eine Koor­di­na­to­rin oder einen Koor­di­na­tor des Rates für die Ange­le­gen­hei­ten der deut­schen Sin­ti und Roma in Baden-Würt­tem­berg mit Sitz im Staats­mi­nis­te­ri­um sowie die wei­te­ren Ver­tre­te­rin­nen oder Ver­tre­ter der betei­lig­ten Res­sorts. Die Ver­tre­te­rin­nen oder Ver­tre­ter des Land­ta­ges wer­den durch den Land­tag bestimmt. Die Ver­tre­te­rin­nen oder Ver­tre­ter der kom­mu­na­len Lan­des­ver­bän­de wer­den auf Vor­schlag der Kom­mu­na­len Lan­des­ver­bän­de und mit Bestä­ti­gung durch den Land­tag in den Rat beru­fen. Die Ver­tre­te­rin­nen oder Ver­tre­ter der deut­schen Sin­ti und Roma wer­den auf Vor­schlag des VDSR-BW und mit Bestä­ti­gung durch den Land­tag in den Rat berufen.

(5) Die Bestel­lung in den Rat erfolgt für alle Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter jeweils für die Dau­er der Wahl­pe­ri­ode des Landtages.

(6) Die Koor­di­na­to­rin oder der Koor­di­na­tor und der VDSR-BW berei­ten die Tagun­gen des Rates gemein­sam vor. Der Rat tagt min­des­tens ein­mal im Jahr. Emp­feh­lun­gen wer­den mit Zwei-Drit­tel-Mehr­heit beschlos­sen und dem Minis­ter­rat zuge­lei­tet. Der Land­tag wird regel­mä­ßig über Arbeit und Beschlüs­se des Rates informiert.

 

Arti­kel 3

Finan­zi­el­le Förderung


(1) Um die Arbeit und sach­ge­rech­te Betei­li­gung des VDSR-BW in der Erfül­lung der in die­sem Ver­trag fest­ge­leg­ten Auf­ga­ben und Zie­le zu gewähr­leis­ten und aus­zu­bau­en sowie zum Erhalt des kul­tu­rel­len Erbes von Sin­ti und Roma in Baden-Würt­tem­berg, för­dert das Land den VDSR-BW

a) im Jahr 2019 mit 700.000 Euro

b) ab dem Jahr 2020 mit 721.000 Euro.

Die­ser Betrag wird vom Jahr 2021 bis 2033 jähr­lich mit 2% dynamisiert.

(2) Die Lan­des­re­ge­lung über die Siche­rung von Grab­stät­ten der unter der Gewalt­herr­schaft der Natio­nal­so­zia­lis­ten ver­folg­ten Sin­ti und Roma bleibt davon unbe­rührt und solan­ge bestehen, bis eine bun­des­ein­heit­li­che Rege­lung umge­setzt ist.

(3) Der VDSR-BW ver­wen­det min­des­tens 10% der För­der­sum­me für die Inte­gra­ti­on und Teil­ha­be blei­be­be­rech­tig­ter nicht­deut­scher Sin­ti und Roma in die Gesell­schaft und die natio­na­le Minderheit.

(4) Die Zuwen­dun­gen sind im Sin­ne die­ser Ver­ein­ba­rung und zur För­de­rung der sat­zungs­ge­mä­ßen Zwe­cke des VDSR-BW zu ver­wen­den. Für die Gewäh­rung von Zuwen­dun­gen gel­ten die haus­halts­recht­li­chen Bestim­mun­gen des Lan­des Baden-Würt­tem­berg. Der Gesamt­be­trag der Zuwen­dun­gen nach Absatz 1 wird in 12 Monats­ra­ten ausbezahlt.

(5) Der VDSR-BW hat der Koor­di­na­to­rin oder dem Koor­di­na­tor und der abrech­nen­den Stel­le bis spä­tes­tens 1. Juni des Fol­ge­jah­res den jewei­li­gen Tätig­keits­be­richt und tes­tier­ten Jah­res­ab­schluss des VDSR-BW vor­zu­le­gen. Der VDSR-BW berich­tet im Rat für die Ange­le­gen­hei­ten der deut­schen Sin­ti und Roma in Baden-Würt­tem­berg regel­mä­ßig über sei­ne Arbeit und Aktivitäten.


 

Arti­kel 4

Ver­trags­aus­le­gung und Ver­trags­an­pas­sung, Kündigung


(1) Die Ver­trags­par­tei­en wer­den eine in Zukunft zwi­schen ihnen etwa ent­ste­hen­de Mei­nungs­ver­schie­den­heit über die Aus­le­gung einer Bestim­mung die­ses Ver­tra­ges auf freund­schaft­li­che Wei­se beseitigen.

(2) Haben die Ver­hält­nis­se, die für die Fest­set­zung des Ver­trags­in­hal­tes maß­ge­bend gewe­sen sind, sich seit Abschluss des Ver­tra­ges so wesent­lich geän­dert, dass einer Ver­trags­par­tei das Fest­hal­ten an der ursprüng­li­chen ver­trag­li­chen Rege­lung nicht zuzu­mu­ten ist, so wer­den die Ver­trags­par­tei­en ver­su­chen, auf freund­schaft­li­che Wei­se eine Anpas­sung des Ver­trags­in­hal­tes an die geän­der­ten Ver­hält­nis­se zu erreichen.

(3) Wenn einem Ver­trags­part­ner unter Berück­sich­ti­gung aller Umstän­de des Ein­zel­falls und unter Abwä­gung der bei­der­sei­ti­gen Inter­es­sen die Fort­set­zung des Ver­trags­ver­hält­nis­ses nicht zuge­mu­tet wer­den kann, ist eine Kün­di­gung des Ver­trags zuläs­sig. Vor der Kün­di­gung ist dem Ver­trags­part­ner eine Frist von drei Mona­ten ein­zu­räu­men, um die­sem die Mög­lich­keit zu gewäh­ren, Abhil­fe für die ein­ge­tre­te­ne Unzu­mut­bar­keit zu schaffen.

 

Arti­kel 5

Inkraft­tre­ten, Dau­er und Ausblick


(1) Die­ser Ver­trag gilt für die Dau­er von fünf­zehn Jah­ren vom 1. Janu­ar 2019 bis 31. Dezem­ber 2033. Land und VDSR-BW ver­ein­ba­ren, auf Basis der bis dahin gemach­ten Erfah­run­gen eine Fort­füh­rung des Ver­trags zu prüfen.

(2) Der Ver­trag bedarf der Zustim­mung der Lan­des­re­gie­rung und des Land­ta­ges sowie der sat­zungs­mä­ßig zustän­di­gen Gre­mi­en des VDSR-BW.

(3) Recht­li­che Gül­tig­keit hat der Ver­trag allein in deut­scher Spra­che; eine Ver­kün­dung erfolgt aus­schließ­lich in Deutsch.

Gesche­hen in Stutt­gart am 14. Novem­ber 2019

Win­fried Kretschmann

Der Minis­ter­prä­si­dent

des Lan­des Baden-Württemberg

Dani­el Strauß

Der Vor­stands­vor­sit­zen­de

des Ver­bands Deut­scher Sin­ti und Roma, Lan­des­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V.

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