An 40 Jahre Anerkennung des Völkermords der Sinti und Roma in der Bundesrepublik wurde im letzten Jahr erinnert. Wie es dazu kam, hat der Historiker Sebastian Lotto-Kusche von der Universität Flensburg erforscht. Im Kern seiner Studie über den “langen Weg zur Anerkennung” geht es um den zähen Prozess, in dem gegen alle Widerstände diese vier Sätze sagbar und schließlich zur Selbstverständlichkeit wurden, die Helmut Schmidt nach dem ersten Treffen eines Bundeskanzlers mit Vertretern von Sinti und Roma am 17. März 1982 in einer Presseerklärung mitteilen ließ: “Den Sinti und Roma ist durch die NS-Diktatur schweres Unrecht zugefügt worden. Sie wurden aus rassischen Gründen verfolgt. Viele von ihnen wurden ermordet. Diese Verbrechen sind als Völkermord anzusehen.”
Der Regierungschef der Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches erkannte dessen Verbrechen an den Sinti und Roma endlich öffentlich an. Das symbolträchtige Ereignis markierte auch die Ankunft der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma in der politischen Kultur der Bundesrepublik. Es war ein Kampf gegen das organisierte Unwissen und die gezielte Leugnung, gegen NS-“Expertinnen” und -“Experten” sowie das öffentlich gepflegte Vorurteil. Zahlreiche Bundesgenossen stärkten das Anliegen der Sinti und Roma. Diese Koalitionen rekonstruiert die neue Studie, die schon jetzt ein Grundlagenwerk ist. Als erster Historiker schreibt Lotto-Kusche Sinti und Roma in den historischen Mainstream der alten Bundesrepublik ein. Der Autor präsentiert sein Buch und diskutiert die Befunde gemeinsam mit Dr. Mehmet Daimagüler, dem Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus.
Eine gemeinsame Veranstaltung von Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V. und VDSR-BW. Einführung: Sarah Stewart (Haus der Geschichte), Moderation: Dr. Tim Müller (VDSR-BW).