Seit 2014 vergibt der VDSR-BW den Kultur- und Ehrenpreis der Sinti und Roma für besondere Verdienste in den Bereichen Kultur, Bildung und Bürgerrechte. Die Preisverleihung findet immer am Jahrestag der ersten urkundlichen Erwähnung von Sinti und Roma auf dem Territorium des heutigen Deutschlands (20. September 1407 in Hildesheim) statt.
Unsere diesjährigen Preisträger haben Herausragendes für die Minderheit geleistet – u.a. als Intellektueller und Sprachforscher, Bürgerrechtsaktivist und kulturell Engagierter sowie als Zeitzeugin der nationalsozialistischen Verfolgung und Unterstützerin junger Sinti und Roma.
Elisabeth Guttenberger erhält den Kultur- und Ehrenpreis in der Kategorie Bildung.
Elisabeth Guttenberger wurde 1926 als Elisabeth Schneck in Stuttgart geboren. Gemeinsam mit ihren drei Geschwistern erlebte sie eine behütete Kindheit. Der Vater handelte mit Streichinstrumenten und Antiquitäten, 1936 zog die Familie nach München.
Die rassistische Politik des Nationalsozialismus zerstörte ihr Leben. Obwohl Elisabeth Guttenberger eine gute Schülerin war, durfte sie nach der Volksschule keine weiterführende Schule besuchen, auch eine Lehrstelle in einer Konditorei musste sie wieder aufgeben und Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik leisten. Sie wurde wie viele Tausende deutsche Sinti und Roma im März 1943 in das Vernichtungslager AuschwitzBirkenau deportiert. Mehr als 30 ihrer Verwandten wurden dort ermordet. Elisabeth Guttenberger überlebte Auschwitz und sagte später in Prozessen gegen nationalsozialistische Täter aus.
In den 1990er Jahren hielt sie mehrere Reden zu wichtigen Anlässen wie im Dezember 1992 im Berliner Reichstagsgebäude am 50. Jahrestag des „Auschwitzerlasses“. Sie engagierte sich auch für die Verbesserung der Bildungssituation von Sinti und Roma, gründete u.a. den Verein Bildung für Sinti und Roma Ravensburg und setzte sich nachdrücklich für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verfolgung in Schulen ein.
Ian Hancock erhält den Kultur- und Ehrenpreis in der Kategorie Forschung und Bürgerrechte.
Professor Ian Hancock ist der international prominenteste Geisteswissenschaftler aus der Romani-Community. Er leitet an der Universität von Texas in Austin das Programm für Romani Studies und das Romani Archives and Documentation Center. Er ist einer der bedeutendsten Forscher zu Sprache, Kultur und Geschichte von Sinti und Roma und Autor zahlreicher Bücher und Fachbeiträge. Er wurde 1942 in London geboren und gilt als der erste Angehörige der Romani-Minderheit, der in Großbritannien den Doktortitel erlangte. Seit den 1960er Jahren ist er zudem als Bürgerrechtsaktivist engagiert und spielte eine wichtige Rolle beim ersten Romani World Congress 1971. Er vertrat das Volk der Roma vor den Vereinten Nationen und war unter Präsident Bill Clinton Mitglied des United States Holocaust Memorial Council.
Jon Pettersson erhält den Kultur- und Ehrenpreis in der Kategorie Kultur.
Jon Pettersson ist u.a. Vorsitzender der FrantzwagnerGesellschaft in Schweden, die sich zur Aufgabe gemacht hat, das sprachliche und kulturelle Erbe der schwedischen Resande (Sinti) als Teil der schwedischen Kultur zu bewahren und zu fördern. Dabei kommt der Sprachförderung eine besondere Bedeutung zu.
Jon Pettersson setzt sich in seinem Heimatland und in Europa vor allem für die Sprachförderung des Romanes ein und kämpft gegen den auch in der schwedischen Bevölkerung verwurzelten Antiziganismus. Auf europäischer Ebene rückt er die schwedischen Resande als Minderheitengruppe und ihre Situation in den Blickpunkt.