Sinti gestalten seit über 600 Jahren die deutsche Geschichte mit. Im Unterricht an den Schulen und auch beim außerschulischen Lernen spielt diese Geschichte kaum eine Rolle. Damit es anders werden kann, müssen nicht nur die Angebote ausgeweitet werden. Die Gesellschaft und die Bildungseinrichtungen müssen sich auch grundsätzlichen Fragen stellen: Wie kann historische Bildung in einer Gesellschaft der Vielfalt gelingen? Wie lassen sich Wissen über die Geschichte und diskriminierungskritisches Handeln miteinander verknüpfen?
Diesem Themenkomplex ging am 12. Mai eine Diskussionrunde ausgewiesener Expertinnen auf Einladung des VDSR-BW nach: Professor Dr. Bärbel Völkel (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg), Nadine Küßner (Arbeitsstelle Antiziganismusprävention, Pädagogische Hochschule Heidelberg) und Jessica Kemfelja (Leitung Lernort RomnoKher), moderiert von Dr. Tim Müller, wissenschaftlicher Leiter des VDSR-BW. Im Mittelpunkt stand die Herausforderung, die Geschichte von Sinti und Roma als die Geschichte von Deutschen, die über Jahrhunderte als „nicht zugehörig“ definiert und diskriminiert wurden, ins Zentrum der historischen Bildungsarbeit an Schulen und außerschulischen Lernorten zu rücken. Anhand ihrer Geschichte lässt sich die deutsche Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart vermitteln.
Einer solchen pluraleren historischen Bildung steht ein Kulturbegriff entgegen, der mit einem ethnisch definierten Verständnis der Nation verknüpft ist. Die Diskussion hat dieses Problem deutlich benannt und Wege aufgezeigt, wie die nationale, ethnozentrische große Erzählung der Geschichtsbücher und Lehrwerke aufgelöst und eine multiperspektivische Geschichte entdeckt werden kann, die der Heterogenität der Gesellschaft gerechter wird. Dabei geht es gleichzeitig um ein Lernerlebnis und um die Bekämpfung von Diskriminierung. Denn historisches Wissen hat direkt mit unserem Handeln zu tun: Die Prävention von Antiziganismus und anderen Formen der Diskriminierung hängt von der Bereitschaft zur Selbstkritik und zum Zuhören ab, darauf, neue Perspektiven zuzulassen und Pluralität als Gewinn wahrzunehmen. Die Expertinnenrunde diskutierte die Problemlage und Grundsatzfragen, aber auch praktische Anregungen für den Bildungsalltag. Dabei wurde auch der neue Lern- und Begegnungsort RomnoKher des VDSR-BW vorgestellt.
Eine Zusammenfassung der Diskussionsrunde bietet auch die aktuelle Ausgabe der von Daniel Strauß moderierten Nachrichtensendung „RomnoKher News“: