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RomnoKher-Studie 2021: Ungleiche Teilhabe
RomnoKher-Studie 2021: Ungleiche Teilhabe
Zur Lage der Sinti und Roma in Deutschland
Zur Lage der Sinti und Roma in Deutschland

Zehn Jah­re nach der ers­ten Rom­noK­her-Stu­die legt die Rom­noK­her gGmbH mit Unter­stüt­zung der Stif­tung „Erin­ne­rung, Ver­ant­wor­tung und Zukunft“ (EVZ) eine neue Stu­die zur aktu­el­len Lage der Sin­ti und Roma in Deutsch­land vor. Der VDSR-BW ist allei­ni­ger Gesell­schaf­ter der Rom­noK­her gGmbH. Eine bun­des­wei­te Arbeits­ge­mein­schaft von Rom­noK­her hat dafür 61 Inter­viewe­rin­nen und Inter­view­er aus der Min­der­heit ein­be­zo­gen und ein Team von Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler ver­schie­de­ner Hoch­schu­len und aus der Pra­xis auf­ge­baut, von denen etwa die Hälf­te selbst der Min­der­heit ange­hö­ren. Von über 700 durch­ge­führ­ten inter­net­ge­stütz­ten Befra­gun­gen zwi­schen Sep­tem­ber und Dezem­ber 2020 wur­den nach sorg­fäl­ti­ger Prü­fung 614 Inter­views mit ein­hei­mi­schen und zuge­wan­der­ten Roma und Sin­ti aus allen Bun­des­län­dern aus­ge­wer­tet. Die Befrag­ten wur­den mit Hil­fe einer Kom­bi­na­ti­on aus Zufalls- und Schnee­ball­prin­zip aus etwa 3500 Per­so­nen aus­ge­wählt, um die Signi­fi­kanz der Daten zu erhö­hen. Die Inter­view­er aus dem gesam­ten Bun­des­ge­biet waren dafür wegen der Pan­de­mie größ­ten­teils tele­fo­nisch oder online im Ein­satz. Dabei wur­den bis zu 100 Fra­gen aus den Berei­chen Fami­li­en­si­tua­ti­on, Bil­dungs­si­tua­ti­on, Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fah­run­gen, Beschäf­ti­gung, Wohn­si­tua­ti­on, Trau­ma­ti­sie­rung und Ein­schät­zun­gen zur gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lung und zu Hand­lungs­be­dar­fen gestellt. Eine Auf­zeich­nung der Vor­stel­lung der Stu­die fin­den Sie auf unse­rem You­tube-Kanal RomnoKher.

Vor zehn Jah­ren hat­te bereits die Rom­noK­her-Stu­die 2011 mit 261 aus­ge­wer­te­ten Inter­views die Bil­dungs­be­nach­tei­li­gung deut­scher Sin­ti und Roma plau­si­bel auf­zei­gen kön­nen. Sie führ­te u.a. zur Ein­rich­tung eines bun­des­wei­ten Arbeits­krei­ses zur gleich­be­rech­tig­ten Bil­dungs­teil­ha­be von Roma und Sin­ti in Deutsch­land (2013–2015), der Grün­dung der Hil­de­gard Lag­ren­ne Stif­tung für Bil­dung, Inklu­si­on und Teil­ha­be von Sin­ti und Roma in Deutsch­land und der Ein­rich­tung eines För­der­pro­gramms der Stif­tung EVZ zur För­de­rung von Bil­dungs­pro­jek­ten von Roma- und Sinti-Selbstorganisationen.

Damals wie heu­te waren alle Inter­view­er Ange­hö­ri­ge der Min­der­heit, und die Ver­ant­wor­tung für die Durch­füh­rung der Stu­die lag ent­spre­chend einer Ver­ab­re­dung mit Bun­des­mi­nis­te­ri­en, Län­dern und Selbst­or­ga­ni­sa­tio­nen zu Stan­dards bei der Daten­er­he­bung zur Bil­dungs­si­tua­ti­on von Roma und Sin­ti in Deutsch­land (Bun­des­wei­ter Arbeits­kreis 2015) bei einer Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on der Sin­ti und Roma. Damit wer­den den wegen der Ver­wick­lung von wis­sen­schaft­li­cher For­schung in die Ver­fol­gung und Ermor­dung von Roma und Sin­ti im Natio­nal­so­zia­lis­mus nach wie vor bestehen­den Ängs­ten und Vor­be­hal­ten vie­ler Ange­hö­ri­ger und Ver­ei­ne der Min­der­heit in Deutsch­land Rech­nung getragen.

Als die EU-Kom­mis­si­on 2011 alle Mit­glied­staa­ten auf­for­der­te, natio­na­le Stra­te­gien zur Ver­bes­se­rung der Lage der Sin­ti und Roma mit geziel­ten För­der­pro­gram­men, deren Erfol­ge über­prüf­bar sind, ein­zu­rich­ten, lehn­te die Bun­des­re­gie­rung eine Teil­nah­me u.a. mit der Begrün­dung ab, dass kei­ne Daten zur Lage der Sin­ti und Roma in Deutsch­land zur Ver­fü­gung stün­den. Im Rah­men der EU-Rats­prä­si­dent­schaft hat Deutsch­land 2020 den neu­en stra­te­gi­schen EU-Rah­men für Gleich­stel­lung, Inklu­si­on und Par­ti­zi­pa­ti­on von Sin­ti und Roma für 2020–2030 ver­ab­schie­det und nach wie vor kei­ne Daten zur Lage der Sin­ti und Roma in Deutsch­land erho­ben. Die Ergeb­nis­se der Rom­noK­her-Stu­die 2021 bele­gen die gestie­ge­nen Erwar­tun­gen und Poten­tia­le der Min­der­heit und auch die extre­me Benach­tei­li­gung im Bil­dungs­be­reich, die durch die von der Bun­des­re­gie­rung bevor­zug­ten unspe­zi­fi­schen (Mainstream-)Fördermaßnahmen bis­her nicht aus­ge­gli­chen wer­den konn­te. Nicht nur die Zah­len unter­strei­chen die Not­wen­dig­keit geziel­ter För­der­maß­nah­men. Auch 80% der Befrag­ten selbst hal­ten sol­che Maß­nah­men im Bil­dungs­be­reich für notwendig.

Die Stär­kung des Selbst­be­wusst­seins in der Min­der­heit als Ergeb­nis der Empower­ment-Stra­te­gie der Bür­ger­rechts­be­we­gung zeigt sich in den über­wie­gend posi­ti­ven und sehr posi­ti­ven Feed­backs von Inter­view­ern und Befrag­ten zur Befra­gung selbst. Eben­so wie 2011 ermit­telt die Stu­die nach wie vor extrem hohe Anga­ben zur Dis­kri­mi­nie­rung: Etwa 40% der Befrag­ten mit Kin­dern haben ange­ge­ben, dass ihre Kin­der Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fah­run­gen gemacht haben (davon ca. 60% mit Gewalt, ca. 40% im Unter­richt, ca. ein Drit­tel von Lehr­kräf­ten), und etwa zwei Drit­tel der Befrag­ten füh­len sich im heu­ti­gen Leben wegen ihrer Zuge­hö­rig­keit dis­kri­mi­niert, davon ca. 80% auch im Bildungssystem.

Deut­lich sicht­ba­re Ver­än­de­run­gen erge­ben sich beim Ver­gleich der Alters­grup­pen: Haben noch über 50% der über 50-Jäh­ri­gen und knapp ein Drit­tel der über 30–50-Jährigen die Schu­le ohne Abschluss ver­las­sen, sind es bei den unter 30-Jäh­ri­gen etwa 15% (Gesamt­be­völ­ke­rung unter 5%). Das Abitur als Schul­ab­schluss errei­chen etwa 2% der über 50-Jäh­ri­gen, bereits 10% der 30–50-Jährigen und knapp 15% der unter 30-Jäh­ri­gen (Gesamt­be­völ­ke­rung 40%). Sta­gniert hat hin­ge­gen die Anzahl der Per­so­nen ohne beruf­li­chen Abschluss (knapp 80% der über 50-Jäh­ri­gen und etwa 40% der 18–30- und 30–50-Jährigen). Zum kul­tu­rel­len Selbst­ver­ständ­nis gehört bei 85% der Befrag­ten, Roma­nes, die Spra­che der Roma und Sin­ti, zu spre­chen und zu pfle­gen. Knapp 90% haben Roma­nes zu Hau­se gelernt und mehr als 80% brin­ge ihren Kin­dern zu Hau­se Roma­nes bei. Knapp ein Vier­tel der Befrag­ten spricht min­des­tens drei Sprachen. 

Hier fin­den Sie eine Zusam­men­fas­sung wich­ti­ger Ergeb­nis­se der Rom­noK­her-Stu­die 2021: Rom­noK­her-Stu­die 2021 – Zusammenfassung.

Die Stu­die kann unter info@romnokher.de ange­for­dert werden.

The­men & Autor/innen, 1. Auf­la­ge (Febru­ar 2021): 

Dr. Karin Cudak, Euro­pa-Uni­ver­si­tät Flens­burg / Dr. Iuli­us Ros­tas, Visi­ting Pro­fes­sor, Natio­nal School of Poli­ti­cal and Admi­nis­tra­ti­ve Stu­dies, Buka­rest, ehem. Lei­ter des Roma­ni Stu­dies Pro­gram der Cen­tral Euro­pean Uni­ver­si­ty, Buda­pest: „Bildungssituation(en) von Sin­ti und Roma im deut­schen Bil­dungs­sys­tem 2020“

Dr. Sebas­ti­an Sta­rystach, Max-Weber-Insti­tut für Sozio­lo­gie, Uni­ver­si­tät Hei­del­berg: „Metho­den­be­schrei­bung“

Dr. Frank Reu­ter, For­schungs­stel­le Anti­zi­ga­nis­mus, Uni­ver­si­tät Hei­del­berg: „Anti­zi­ga­nis­mus und Bildungsgeschichte“

Dr. Chris­ti­an Brüg­ge­mann, Gra­du­ier­ten­kol­leg Inklu­si­on – Bil­dung – Schu­le, Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin: „Inter­na­tio­na­le Ein­ord­nung der Ergebnisse“

Alex­an­der Die­pold, Sozi­al­päd­ago­ge und Geschäfts­füh­rer der Hil­de­gard Lag­ren­ne Stif­tung (HLS) / Chris­toph Leucht, wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter der HLS: „Ansät­ze und Per­spek­ti­ven zur Ver­bes­se­rung der Bildungssituation“

Prof. Dr. Albert Scherr, Insti­tut für Sozio­lo­gie, Päd­ago­gi­sche Hoch­schu­le Frei­burg: „Die Bedeu­tung unter­schied­li­cher Lebens­la­gen von Sin­ti und Roma für Stra­te­gien zur Ver­bes­se­rung der Bildungssituation“

The­men & Autor/innen, Ergän­zun­gen 2. Auf­la­ge (vor­aus­sicht­lich Herbst 2021)

Dr. Nico­le­ta Bitu: „Gen­der­per­spek­ti­ven auf die Ergeb­nis­se der Studie“

Sara Paß­qua­li: „Dis­kri­mi­nie­rung als Bildungsbarriere“

Jovica Arva­nitel­li / Chris­ti­ne Bast / Dr. Andre­as Hoff­mann-Rich­ter: „Rom­noK­her-Pro­jek­te gegen Dis­kri­mi­nie­rung und Bei­spie­le aus der Praxis“

David Strauß: „Spra­chen­viel­falt und Romanes(lernen)“

Dr. Joan­na Tale­wicz-Kwiat­kows­ka / Dr. Mał­gorz­ta Kołac­zek: „Zur Bedeu­tung inter­ge­ne­ra­tio­nel­ler Ein­fluss von Traumatisierung“

Die Rom­noK­her gGmbH ist eine seit 2007 bun­des­weit täti­ge Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on der Sin­ti und Roma in Deutsch­land, die 2011 die ers­te eige­ne Stu­die zur Bil­dungs­si­tua­ti­on der deut­schen Sin­ti und Roma (Rom­noK­her-Stu­die 2011) durch­führ­te. Rom­nok­her betreibt seit 2014 in Mann­heim ein Haus für Bil­dung, Kul­tur und Anti­zi­ga­nis­mus­for­schung und grün­de­te 2017 die Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft Rom­noK­her mit dem Ziel, ein bun­des­wei­tes Netz­werk von Selbst­or­ga­ni­sa­tio­nen zur För­de­rung von Kul­tur und Bil­dung aufzubauen.

Beitrag erstellt am 25.02.2021.

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