Als Mitglied des Aktionsbündnisses „Unser Denkmal ist unantastbar!“ veröffentlichen wir die aktuelle Stellungnahme vom 1. Dezember 2020:
Das Aktionsbündnis „Unser Denkmal ist unantastbar!“ hat sich formiert, nachdem bekannt geworden war, dass Baumaßnahmen für die geplante S21 das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas massiv beeinträchtigen würden.
Auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma erklärte am 29. Mai 2020, dass eine solche Beeinträchtigung des Gedenkens „unvorstellbar“ sei. Anders als Teile des Zentralrats verteidigt das Aktionsbündnis „Unser Denkmal ist unantastbar!“ diese Position ohne jede Einschränkung. Das gesamte Denkmal ist unantastbar.
Zeitgleich mit dem Zentralrat hat das Aktionsbündnis seit Juni 2020 in Form von zahlreichen Gesprächsterminen, Briefen, Pressekonferenzen und öffentlichen Stellungnahmen die Verantwortlichen und Entscheidungsträger auf Bundes- und Berliner Landesebene informiert und an sie appelliert, sich für die vollständige Erhaltung des Denkmals einzusetzen und keine Beeinträchtigung des Denkmals durch die geplanten baulichen Maßnahmen zuzulassen.
Das Aktionsbündnis hat von Anfang an die Forderung aufgestellt, das Denkmal zum sogenannten „Zwangspunkt“ für die Bauplanungen zu erklären. Erst dann ist garantiert, dass das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in seiner Gesamtheit unangetastet bleibt. Auch das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ist ein solcher „Zwangspunkt“. Es kann und darf in dieser Hinsicht keine Trennung zwischen den Opfergruppen des Nationalsozialismus geben.
Mit diesem Ziel hatte das Aktionsbündnis auch eine gemeinsame Stellungnahme des Zentralrats, des Aktionsbündnisses, des Bündnisses für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas bereits für den 14. Juli 2020 angeregt und vorbereitet. Alle genannten Organisationen und Bündnisse waren dazu bereit – nur Romani Rose lehnte diese gemeinsame Aktion ab.
Das Aktionsbündnis hat weiterhin über Monate intensive Gespräch geführt und Aufklärungsarbeit in den zuständigen politischen Gremien des Landes Berlin und des Bundes geleistet. Aktuell unterstützen 19 Organisationen aus der Mehrheitsgesellschaft das Aktionsbündnis, unter ihnen EU-Abgeordnete, Stiftungen, Kirchenvertreter und Gedenkstätten. 26 Organisationen und Vereine von Sinti und Roma sind Mitglieder im Aktionsbündnis. Damit ist das Aktionsbündnis bundesweit der größte Zusammenschluss von Selbstorganisationen der Sinti und Roma. Darunter sind Landesverbände aus Niedersachsen, Berlin, Thüringen und Baden-Württemberg sowie Sinti-Vereine aus Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Italien und Serbien.
Am 25. November informierten die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther und der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn AG für das Land Berlin, Alexander Kaczmarek, Vertreter von Sinti und Roma – darunter das Aktionsbündnis „Unser Denkmal ist unantastbar!“ – über den aktuellen Planungsstand.
Am 27. November konnte das Aktionsbündnis zudem ein Gespräch mit den Vizepräsidentinnen des Deutschen Bundestages Petra Pau und Claudia Roth führen.
Leider sind über die Gespräche und den aktuellen Stand einige „Fake News“ im Umlauf. Darum informiert das Aktionsbündnis auf der Grundlage unserer Gespräche in der letzten Woche und vorliegender Dokumente mit einem Video auf dem Youtube-Kanal RomnoKher verlässlich und nachprüfbar über die Fakten.
Ein Beispiel für „Fake News“: In einigen sozialen Netzwerken wird der Eindruck erweckt, Daniel Strauß habe gegenüber Romani Rose einen Vorwurf erhoben, den Rose zurückgewiesen habe. Das ist nicht zutreffend. Fakt ist, dass Daniel Strauß gegenüber dem Gesprächsteilnehmer Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen und Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, dessen Wortwahl zurückgewiesen hat, wonach ein Informations- und Dokumentationszentrum als Kompensation für eine zeitweilige Beeinträchtigung des Denkmals einen „Mehrwert“ darstellen würde. Daniel Strauß empfand dies als kaltes ökonomisches Kalkül, das ihn sprachlich an die im Nationalsozialismus zur Staatsräson gewordene Herabsetzung der „Minderwertigen“ erinnerte – als etwas, was angesichts Hunderttausender von ermordeten Menschen absolut unangemessen wäre.
Statt weitere „Fake News“ aufzudecken, will das Aktionsbündnis sachlich, nachprüfbar und transparent über die Faktenlage informieren.
Fakt ist:
Bei der ersten Besprechung der verantwortlichen Bauplaner und Bundeseinrichtungen zu Beginn dieses Jahres wurden verschiedene Trassenführungen vorgestellt. Bereits bei dieser ersten Besprechung machte Romani Rose das Zugeständnis, dass er bereit sei, eine Trassenführung zu akzeptieren, die das Denkmal für unsere ermordeten Menschen in seiner jetzigen Form beschädigt oder beeinträchtigt, Voraussetzung seines Einverständnisses sei jedoch, dass seiner langjährigen Forderung nach einem Informations- und Dokumentationszentrum in Berlin entsprochen werde.
Fakt ist:
Das Aktionsbündnis möchte keine Zugeständnisse machen, die unser Denkmal in seiner Integrität antasten. Es war das Aktionsbündnis, das erreicht hat, dass erneut alle Varianten geprüft wurden.
Fakt ist:
Am 25. November 2020 haben um 9:00 Uhr Senatorin Günther und der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn Kaczmarek in einer Online-Veranstaltung 3 mögliche Trassenvarianten vorgestellt. Dazu sollten die eingeladenen Vertreter der Minderheit ihre Einschätzung abgeben.
Fakt ist:
Wie unser Video dokumentiert, tangiert Variante 15 (auf der im Video zu sehenden Folie 1 grün dargestellt) weder einen „Zwangspunkt“ noch unser Denkmal.
Variante 13 (blau dargestellt) berührt unser Denkmal nicht direkt, jedoch wäre der Vorplatz des Reichstages von der Baustelle zeitlich begrenzt beeinträchtigt.
Von Variante 12h (lila dargestellt) ist unser Denkmal direkt in seiner Substanz betroffen. Es käme zu erheblichen Beeinträchtigungen. Jeder mit nur ein wenig baulichem Sachverstand wird diese Einschätzung teilen.
Fakt ist:
Die Deutsche Bahn selbst hat in diesem Informationsgespräch aufgezeigt, wie die vorgeschlagene Trassenführung 12h unser Denkmalsgelände konkret beeinträchtigen würde. Das Dokument ist in unserem Video zu sehen (Folie 2). Zu diesen Beeinträchtigungen würde es trotz der überwiegend unterirdischen Bauweise kommen, die Techniken aus dem Bergbau verwendet.
Fakt ist:
Variante 12h stellt weiterhin eine enormen Eingriff in unser Denkmalsgelände dar, denn:
Fakt ist:
Es ist nicht unsere Aufgabe, eine Trassenführung zu finden. Aber wir haben das berechtigte Ziel, den maximal möglichen Schutz für unser Denkmalsgelände zu erreichen, wie er zu Recht auch beim Denkmal für die ermordeten Juden besteht. Uns erschließt es sich nicht, warum das Denkmal für die ermordeten Juden ein „Zwangspunkt“ in der Bauplanung ist, also nicht angetastet werden darf, ebenso das Reichstagsgebäude, aber unser Denkmal nicht.
Fakt ist:
Allen Beteiligten wurden am 25. November zwei Varianten (die Varianten 13 und 15) vorgestellt, die unser Denkmal nicht oder nur indirekt tangieren. Wir sehen keinen Anlass, für die Variante 12h in ihrer jetzigen Form einzutreten, bei der unser Denkmal in seiner Integrität so stark beschädigt wird.
Fakt ist:
Am 27. November hat das Aktionsbündnis ein weiteres Gespräch auf Bundesebene mit den Bundestagsvizepräsidentinnen Pau und Roth geführt. In diesem Gespräch wurde klar gestellt:
Fakt ist:
Wir benötigen Ihre Unterstützung.
Wer uns durch seine kostenlose Mitgliedschaft unterstützen möchte, unsere Haltung teilt oder nur gut informiert bleiben möchte, kann seine Kontaktdaten unter denkmal@sinti-roma.com mitteilen.
Im Namen des Aktionsbündnisses „Unser Denkmal ist unantastbar“
Alexander Diepold – Hildegard Lagrenne Stiftung für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland
Mario Franz – Niedersächsischer Landesverband Deutscher Sinti e.V.
Romeo Franz MdEP
Verena Lehmann – Initiative Sinti-Roma-Pride
Daniel Strauß – RomnoKher gGmbH – Ein Haus für Kultur, Bildung und Antiziganismusforschung