Im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages wurde am 28. September 2023 die erweiterte Fassung der RomnoKher-Studie 2021 der politischen und Fachöffentlichkeit präsentiert. Das 300 Seiten starke, von Daniel Strauß herausgegebene Grundlagenwerk ist unter dem Titel “Ungleiche Teilhabe. Zur Lage der Sinti und Roma in Deutschland” gerade im renommierten Fachverlag Springer VS erschienen.
Die erste RomnoKher-Studie von 2011 schuf zum ersten Mal überhaupt die Grundlage für verlässliche Daten zur Bildungssituation von Sinti und Roma in Deutschland. Als gemeinsam mit der Minderheit konzipierte und durchgeführte Studie war sie zugleich wegweisend für die partizipative Forschung, die sich mittlerweile erfolgreich etabliert hat. Zehn Jahre später legte die RomnoKher gGmbH erneut mit Unterstützung der Stiftung “Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” (EVZ) eine zweite, in ihrem Zugriff erweiterte Studie zur aktuellen Lage der Sinti und Roma in Deutschland vor. Der VDSR-BW ist alleiniger Gesellschafter von RomnoKher. 61 Interviewerinnen und Interviewer aus der Minderheit sowie ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, von denen etwa die Hälfte selbst der Minderheit angehören, waren daran beteiligt. 614 Interviews mit einheimischen und zugewanderten Roma und Sinti aus allen Bundesländern konnten für die Studie ausgewertet werden. Die Befragten wurden mit Hilfe einer Kombination aus Zufalls- und Schneeballprinzip aus etwa 3500 Personen ausgewählt, um die Signifikanz der Daten zu erhöhen.
In erheblich erweiterter Fassung konnte die Studie nun als wissenschaftliche Fachpublikation erscheinen. Nach einer Begrüßung durch den Europaabgeordneten Romeo Franz und Dr. Andrea Despot, Vorständin der Stiftung EVZ, würdigte der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus, Dr. Mehmet Daimagüler, die Bedeutung der Studie, die Maßstäbe bei der wissenschaftlichen Beteiligung der Selbstorganisationen setzt. Ohne die RomnoKher-Studie könnte der Bundesbeauftragte seine eigene Aufgabe nicht erfüllen, erklärte er. Daimagüler dankte insbesondere Daniel Strauß, Geschäftsführer von RomnoKher, Co-Vorsitzender der Bundesvereinigung der Sinti und Roma und Vorsitzender des VDSR-BW, für seinen jahrzehntelangen unermüdlichen Einsatz, ohne den diese Studien niemals konzipiert und realisiert worden wären.
In seinem eigenen Grußwort betonte Daniel Strauß, dass lokale Maßnahmen nicht mehr ausreichten und die Daten der RomnoKher-Studie und anderer Forschungen die Grundlage für eine Wende der bundesweiten Bildungspolitik lieferten. Der Staat müsse die Verantwortung für den Bildungsaufbruch von Sinti und Roma übernehmen.
Von den an der Studie beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stellten Christoph Leucht, Dr. Karin Cudak und Dr. Iulius Rostas, Dr. Malgorzata Kolaczek, Prof. Dr. Christian Brüggemann und Alexander Diepold ihre Ergebnisse vor. Während große Fortschritte in vielen Bildungsstufen in den vergangenen zehn Jahren erzielt wurden, bestehen weiterhin erhebliche Hürden in den Bereichen der beruflichen Abschlüsse und Hochschulabschlüsse. Hier zeigte sich eines der Felder, auf dem dringender staatlicher Handlungsbedarf geboten ist.
Die RomnoKher-Studien haben einen Paradigmenwechsel in der Forschung und den Wahrnehmungen zur Gegenwartssituation von Sinti und Roma bewirkt und dafür gesorgt, dass Bildung zum zentralen Thema der meisten Selbstorganisationen der Minderheit wurde. Nun liefern sie die Datenbasis, um großflächige strukturelle Verbesserungen zu begründen. Die Verantwortung liegt beim Bund und den Ländern, gemeinsam mit den Vertretungen von Sinti und Roma und Facheinrichtungen das Menschenrecht auf Bildung umfassend zu garantieren.